Die Phönizier
Einführung
Phönizien oder Phönikien, griechisch Phoinike (Purpurland), lateinisch Phoenicia, biblischer Name Kanaan, schmaler Landstrich an der Ostküste des Mittelmeeres, der heute weitgehend auf dem Gebiet des Staates Libanon liegt.
Die Region wird im Osten vom Libanongebirge, im Süden vom Berg Karmel und im Norden vom Fluss Eleutheros (heute Kebir) begrenzt.
Frühgeschichte
Obwohl die Bewohner dieses Gebiets einer homogenen Zivilisation angehörten, bildete es selten eine politische Einheit. Geographisch stark zerrissen durch tiefe Flusstäler und Bergzüge, zerfiel es in zahlreiche Stadtstaaten, die einander abwechselnd beherrschten. Die bedeutendsten waren Byblos (Djebeil), Arados (Arwad), Sidon (Saida), Tripoli, Tyros (Sur) und Berytos (Beirut). Zunächst stand Byblos im Vordergrund, wurde aber später durch Tyros und Sidon verdrängt.
Die Bewohner Phöniziens, die bei Homer Phöniker genannt werden, werden im Alten Testament häufig nach den einzelnen Stadtstaaten als Sidonier und Tyrer oder aber als Kanaaniter bezeichnet und sprachen Semitisch. Ihre ersten Siedlungen gründeten sie um 2500 v. Chr. an der Mittelmeerküste. Sie standen zunächst stark unter dem Einfluss der sumerischen und akkadischen Kulturen des nahe gelegenen Babylonien. Um 1800 v. Chr. geriet das Gebiet bis etwa 1400 v. Chr. unter ägyptischen Einfluss. Durch den Machtverfall des Hethiterreiches erlangten die einzelnen Stadtstaaten um 1100 v. Chr. ihre Eigenständigkeit, die sie jedoch in der Folge immer wieder gegen die benachbarten Großreiche neu verteidigen mussten.
Handelsbeziehungen
In seiner Blütezeit zwischen 1200 und 900 v. Chr. entwickelte sich Phönizien zur größten Handels- und Seemacht der Antike. Die Phönizier beherrschten das gesamte Mittelmeer bis zum Atlantik, wo sie Kolonien und Handelsfaktoreien gründeten, darunter Utica und Karthago in Nordafrika oder Gadir (heute Cadiz) in Südspanien sowie zahlreiche Orte auf Sizilien, Sardinien, Malta und Zypern. Durch die regen Handelsbeziehungen wurde auch der kulturelle Austausch zwischen dem Orient und Städten in Griechenland gefördert, das die Phönizier später als Seefahrernation abzulösen begann. Während dieser wirtschaftlichen Blütezeit wurden vor allem kunstgewerbliche Gegenstände aus Glas, Holz und Metall sowie Bauholz aus dem Libanongebirge exportiert. Im 8. Jahrhundert v. Chr. wurden die phönizischen Städte von den Assyrern erobert. Als Assyrien im späten 7. Jahrhundert v. Chr. fiel, wurde Phönizien - mit Ausnahme von Tyros, das bis etwa 538 v. Chr. unabhängig blieb - in das Babylonische Reich unter Nebukadnezar II. eingegliedert und 539 v. Chr. ins Persische Reich, unter dessen Herrschaft Sidon die führende Rolle unter den Städten übernahm.
Nach dem Sieg Alexander des Großes über die Perser 333 v. Chr. ergaben sich Sidon, Arwad und Byblos seinen Truppen, doch Tyros widersetzte sich und fiel erst 332 v. Chr. nach siebenmonatiger Belagerung durch Alexander. In der Folgezeit wurden die Phönizier allmählich in das Seleukidenreich eingegliedert und verloren ihre Eigenständigkeit. Die Städte erfuhren nach und nach eine Hellenisierung, und 64 v. Chr. wurde das Gebiet von Pompeius der römischen Provinz Syria einverleibt.
Kultur und Religion
Phöniziens bedeutendste kulturelle Errungenschaft war die Entwicklung eines Alphabets, einer Buchstabenschrift, die als reine Konsonantenschrift konzipiert war und später die Grundlage sowohl der griechischen als auch der lateinischen Schrift bildete. Die Ursprünge der phönizischen Schrift reichen bis in das 2. Jahrtausend v. Chr. zurück.
Die Produkte des phönizischen Handwerkes, besonders Textilien und Farbstoffe (darunter der berühmte tyrische Purpur, von dem sich auch ihr Name ableitete), Gegenstände aus Edelmetall, Elfenbeinschnitzereien und Glaswaren, waren in der gesamten antiken Welt berühmt. Bei Ausgrabungen wurden in Grabstätten aufwendig gefertigte Masken aus verschiedenen Materialien wie Terrakotta oder Bronze entdeckt. Die phönizische Kunst beeinflusste maßgeblich die Kunst der Griechen.
Die pantheistische Religion der Phönizier, die der kanaanäischen sehr nahe stand, konzentrierte sich auf den Kult verschiedener Stadtgottheiten, die als Baal oder Herr bezeichnet wurden und wohl Naturgötter waren. Die wichtigste weibliche Gottheit war die Kriegsgöttin Astarte, die mit der babylonischen Ischtar verwandt war. Durch die Ausbreitung der Herrschaft der Phönizier wurden ihre religiösen Vorstellungen im gesamten Mittelmeerraum verbreitet.
Quelle „Phönizien“ Microsoft® Encarta® Online-Enzyklopädie 2002