Nahr el-Kalb
Anfahrt
Von Beirut Autobahn Richtung Jounieh. Unmittelbar nach einem Tunnel geht es rechts ab zum Nahr el-Kalb (kleiner geteerter Weg, wird oft übersehen).
Ca. 15 km von Beirut, 1/2 Std. Fahrt.
Information
Das Vorgebirge am Nahr el-Kalb war ein Bollwerk der Phönizier. Ihre Häfen lagen im Schutz des Libanongebirges, so dass Eroberer zunächst versuchten, die Vorherrschaft über die Küstenregion zu erlangen. Dabei war es wichtig, das Durchgangsland selbst unter Kontrolle zu bringen – hier lag der Schlüssel für eine, im damaligen Sinne, Weltherrschaft.
In zahlreichen Texten erwähnen mesopotamische Herrscher ihren Marsch zum „oberen Meer“ (= Mittelmeer, im Unterschied zum „unteren Meer“, dem Persischen Golf). Die Bedeutung dieses Übergangs lag topographischen Vorteil: Der Nahr el-Kalb („Hundsfluss“) bildete die natürliche Grenze zwischen dem nördlichen und dem südlichen Teil der libanesischen Küstenregion. Gebildet wurde diese Grenze durch das tief eingeschnittene Tal des Flusses, welches nur in Höhe der Mündung, nicht aber landeinwärts zu überqueren war. Wem es gelang, diesen Pass unter seine Kontrolle zu bekommen, hatte in den Tat Anlass genug, hier eine Stele mit einer Felsinschrift als Zeichen des Besitzes anzubringen.
Später wurde der Übergang durch eine Brücke und einen schmalen Felsenpfad weit über das steile Vorgebirge erleichtert.
Die Ägypter waren die ersten, die einen Weg in die südliche Klippe schlugen, der sich in Stufen nach oben wand.
Später bauten ihn die Assyrer aus. Spuren dieses ältesten Weges zeigen, dass der Pass in jener Zeit für größere Karawanen und Kriegsheere nicht leicht, für Schwertransporte überhaupt nicht zu passieren war. Erst unter Marcus Aurelius wurde in den Jahren 179 / 180 eine weitere Straße in den Felsen gehauen, die den Steilhang in dreißig Meter Höhe überquerte und 382 von einem römischen Präfekten erweitert wurde.
Bis 1960 verlief ein Weg auf schmalen, dem Vorgebirge abgerungenen Stufen nur wenige Meter über dem Meeresspiegel um das Massiv des Ra’s el-Kalb herum.
Inschriften
Verborgen hinter Sträuchern auf der gegenüberliegenden Seite des unbegehbaren Flussufers ist die Inschrift des neubabylonischen Herrschers Nebukadnezar, der sich während der Belagerung Jerusalems 587 v. Chr. ein Denkmal in babylonischer Sprache am Lykos anbringen ließ. In dieser Inschrift erklärt er, dass ein Feind Libanon plündere, die Bevölkerung umbringe und dass er es übernommen habe, diesem Volk das Glück wiederzubringen.
Steigt man die Stufen des Felsens hinauf, so kommt man an den ältesten Stelen aus assyrischer und ägyptischer Zeit vorbei. Ramses II. (1290 – 1223 v. Chr.) war wohl der erste Herrscher, der einen militärischen Vormarsch auf dem Küstenpfad wagte. Alle Eroberer zuvor marschierten auf der üblichen Route durch die Bekaa-Ebene, nachdem sie eine Flotte geschickt hatten, die von See aus operieren konnte. Laut Herodot hatte Ramses II. überall im östlichen Mittelmeer Denkmäler von sich errichten lassen. Mit drei Inschriften war er jedenfalls hier vertreten, von denen eine 1860 auf Befehl des französischen Generals Beaufort weggemeißelt wurde. Die eine zeigt den Herrscher nach einem Krieg gegen die Hethiter. Auf der anderen steht er neben dem Gott Ammon, dem ägyptischen Herde- und Weidegott mit Widderhörnern, Symbol der Macht und Kraft. Ramses, mit hohen Krone auf dem Kopf, hebt seinen Arm, um einen vor ihm liegenden Gefangenen zu schlagen. Beide Stelen sind sehr verwittert, so dass heute die Hieroglypheninschrift nur schwer zu erkennen ist.
Neben denen aus ägyptischer Zeit säumen den Stufenweg zahlreiche assyrische Stelen. In den üblichen Selbstdarstellungen der assyrischen Herrscher spiegeln sie das königliche Selbstverständnis wieder. Auf diesen genormten Standardreliefs wurden die Könige stets in Siegesposen und mit den unterworfenen Gegnern dargestellt, während neben ihren Häuptern Göttersymbole oder kleine Götterfiguren wiedergegeben wurden. Die Texte in aramäischer Sprache propagierten Lobeshymnen auf Taten der Herrscher und auf die Macht Assyriens. Die am Wegrand in den Felsen eingemeißelten Inschriften stammen zum größten Teil aus dem 19. und 20. Jh. Ausnahmen sind die Stele vom mamelukkischen Sultan Barquq, welche über den Bau der Brücke informiert, sowie die des römischen Kaisers Caracalla, der die Erweiterung der Straße ankündigt.
Zu erkennen ist auch die Inschrift General Beauforts, der die ägyptische Gedenktafel Ramses II. löschte, um den Erfolg seines Feldzuges 1860 eingravieren zu lassen.
Aus dem gleichen Jahrhundert stammt die Inschrift Napoleons III. neben der stark verwitterten assyrischen.
Alle weiteren hängen mit der französisch-libanesischen Geschichte zusammen. Ein Ehrenmal für die französische Armee, gefeiert als Befreier Syriens und Libanons vom osmanischen Joch, daneben die Gedenktafel General Gourauds über die Einnahme der Stadt Damaskus 1918. Eine dritte, über der Caracallas, informiert ebenfalls über die Einnahme der syrischen Hauptstadt, allerdings 1941, und die jüngste Inschrift, mit einer Zeder geschmückt, ist dem Abzug der letzten französischen und englischen Truppen am 31. Dezember 1946 gewidmet.
Die Legende vom Nahr el-Kalb
„Ich errichtete eine Stele mit meinem Namen im Lande Laban an der Küste des großen Meeres.“ Diese Inschrift soll der amoritische Herrscher Schmaschi Adad I. (1815-1783 v. Chr.) am Nahr el-Kalb angebracht haben (nicht gefunden!) Was das Tal des Nahr el-Kalb auszeichnet, ist die Anzahl von Inschriften aus dreitausend Jahren libanesischer Geschichte, deren älteste auf das 13 Jh. v. Chr. zurückgeht.
Der Legende nach nannten die Griechen den Fluss Lykos (Wolf, Hund). An stürmischen Tagen, so wird erzählt, soll das Meer wie eine Bestie in den Höhlen des Vorgebirges gebrüllt haben, so dass man dem Fluss diesen Namen gab und mit einer Legende versah. Dem Mythos nach soll ein Gott oder Dämon einem riesigen Wolf an der Flussmündung angekettet haben, dessen Gebrüll bei der Überspülung durch die Meereswogen bis nach Zypern zu hören war. Nach einer lokalen Sage jedoch soll der Fluss seinem Namen einem an der römischen Straße aufgestellten Standbild eines Hundes zu verdanken haben, der beim Nahen des Feindes so laut gebellt haben soll, dass es überall im Umkreis von zwei Meilen zu hören war. Tatsächlich fanden Archäologen im Jahr 1943 eine Reliefplastik eines Hundes sowie weiße Säulenplatten an der Flussmündung, die sie als Basis für die Skulptur des Schakal-Gottes Anubis oder eines Hundes bzw. Wolfes erklärten. Mit aller Wahrscheinlichkeit ist der arabische Name aber lediglich eine Übersetzung des für schnell fließendes Gewässer öfter gebrauchten griechischen Namens Lykos.