Sidon / Saida
Anfahrt
Von Beirut in Richtung Tyros bis Saida
ca. 40 km / Fahrtzeit 45 Min
Information
Wenngleich die ältesten Spuren der Besiedelung von Saida, dem antiken Sidon, bis ins 4. Jahrtausend v. Chr. zurückgehen, dürften die Anfänge in der Steinzeit (6000-4000 v. Chr.) liegen. Doch erstmals im 14. Jh. v. Chr. fand die Stadt, einst Vasallenkönigreich Ägyptens, in einem Brief ihres Königs Zimrida an Pharao Amenophis IV. (Echnaton, Vater von Tutanchamun) Erwähnung. Einige Jahrhunderte später wird es gezwungen, den Assyrern Tribut zu zahlen.
Auch wenn die einzelnen kleinen Reiche des Küstenstreifens zu Phönizien zusammenfanden, konnte von staatlicher Einheit keine Rede sein – man stritt heftig um die Märkte. Schärfste Konkurrentin Sidons war das nahe gelegene Tyrus. Grundsätzlich unterstützte eine Stadt die Feinde der anderen. Sequenzen von Zerstörung und Wiederaufbau der Stadt zogen sich durch die nächsten Jahrhunderte – gleichzeitig wurden Purpurherstellung, Schiffbau, Glasindustrie und Bronzeschmiedekunst perfektioniert. Saidas phönizische Epoche begann im 12.-10. Jh. v. Chr. und erreichte ihren Höhepunkt in der Zeit des persischen Reiches (550-330 v. Chr.). Die Stadt leistete mit Schiffen und Seeleuten der persischen Landmacht wertvolle Hilfe im Kampf gegen die Ägypter und die Griechen, was die Stellung der Könige von Saida stärkte und die Perser bewog, in Saida einen königlichen Garten anzulegen. Zu jener Zeit wurde auch der Tempel von Eshmoun errichtet. In Reichtum, Handel und religiöser Bedeutung muss Sidon alle anderen phönizischen Städte übertroffen haben.
Die Erzeugung von Glas und des Purpurfarbstoffes waren in der phönizischen Zeit die bedeutendsten Wirtschaftszweige. Der aus den Murexmuscheln gewonnene Farbstoff war so kostbar, dass er als Symbol der königlichen Würde angesehen wurde. Wie die anderen phönizischen Staaten wurde auch Saida das Opfer verschiedener, aufeinander folgender Eroberer. Am Ende der persischen Ära vermochte die Stadt 351 v. Chr. dem Ansturm des persischen Herrschers Artaxerxes III, der auch Ägypten eroberte, nicht zu widerstehen.
Die verzweifelten Sidonier schlossen sich in der Stadt ein und zündeten sie an. Bei dem verheerenden Brand kamen mehr als 40.000 Menschen ums Leben.
Die so geschwächte Stadt leistete dem Triumphzug Alexanders des Großen 333 v. Chr. keinen Widerstand, damit begann Saidas hellenistische Zeit.
Unter den Nachfolgern Alexanders erfreute sich Saida, die heilige Stadt der Phönizier, ziemlicher Freiheit und veranstaltete Spiele und Wettkämpfe, an denen die besten Athleten der Region teilnahmen.
Als Saida wie die anderen phönizischen Städte unter römische Herrschaft geriet, durfte es weiterhin seine eigenen Silbermünzen prägen. Die Römer ihrerseits bauten ein Theater und errichteten andere größere Denkmäler in der Stadt. In der byzantinischen Zeit verwüstete 551 v. Chr. ein großes Erdbeben die meisten phönizischen Städte, und die berühmte römische Rechtsschule aus Beirut fand Zuflucht in dem offensichtlich weniger betroffenen Saida. Im Jahr 636 eroberten die islamischen Truppen die Stadt.
1111, fast fünf Jahrhunderte später, nahmen die Kreuzritter unter dem Grafen Balduin, dem späteren König von Jerusalem, die Stadt ein. Sie war unter den "Franken" der Hauptort der Grafschaft Sagette, einer der vier Grafschaften des Königreiches Jerusalem.
1187 verloren die Kreuzritter Saida an Saladin, eroberten es aber zehn Jahre später, 1197, zurück.
Im Hafen von Sidon, dem alten Phönizierhafen, steht die nur noch zum Teil original erhaltene Wasserburg, 1227/1228 für den Aufenthalt Kaiser Friedrichs II. in Windeseile errichtet. Die Kreuzritter wurden 1291 von den Mamelucken endgültig vertrieben. Unter deren Herrschaft folgten neuerlich Jahrhunderte des Wohlstands und der kulturellen Blüte.
Im 15. Jh. war Saida einer der Häfen von Damaskus und erlebte im 17. Jh. eine erneute Blütezeit, als es der damalige Herrscher des Libanon, der Drusenfürst Fachreddin II (1572-1635), förderte und die Christen unter seinen Schutz nahm. Vor allem französische Kaufleute trieben einen lebhaften Handel mit Libanon und Syrien, bis sie 1791 aus der Stadt vertrieben wurden. Der Niedergang des Osmanischen Reiches Mitte des 17. Jh. brachte das Aus für die Handelshäfen mit sich. So sank auch Sidon mehr oder weniger in die Bedeutungslosigkeit.
1837 richtete ein starkes, Erdbeben große Schäden an, 1840 wurde es im Verlauf kriegerischer Unruhen in der Region von einer englischen Flotte beschossen.
Danach führte es bis ins 20. Jahrhundert hinein eine relativ unscheinbare Existenz, entwickelte sich dann aber zu einem wichtigen Mittelpunkt von Handel und Landwirtschaft.
Französische Archäologen unter der Leitung von Ernest Renan führten die ersten wirklich wissenschaftlich Grabungen in der Stadt aus und legten die große Nekropole Magharat Ablun frei.
Zuvor war jedoch schon 1855 im Südosten der Stadt der heute im Louvre in Paris zu sehende Sarkophag des Königs Eshmunasar entdeckt worden.
1937 fand man in verschiedenen Gebirgsortschaften oberhalb von Saida Gräber aus der Mittleren Bronzezeit, und eine Reihe von systematischen Erforschungen wurden in und bei Saida vorgenommen.
An der Seepromenade und unweit der Zaatari Moschee liegt eine der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten der Stadt, das 1227/1228 zur Verteidigung erbaute Seekastell.
Es ist heute erreichbar über eine auf Pfeilern ruhende, 80m lange Steinbrücke. Die ursprüngliche Brücke war aus Holz, damit sie jederzeit zerstört werden konnte, um den Angreifern den Zugang zur Festung unmöglich zu machen.
Zum Bau dieser Kreuzfahrerburg wurden auch Steinplatten und Säulenbasen aus römischen Bauwerken in die starken Außenmauern eingebaut – nähert man sich der Burg, fallen die Querschnitte der verwendeten Säulen sofort ins Auge. Die zwei Türme waren durch eine heute teilweise zerstörte Mauer verbunden. Der nordöstliche Turm, gegenüber dem Eingang zur Festung ist rechteckig und misst 21 x 17 m. Die waagerecht integrierten römischen Granitsäulen sollten die Turmmauern verstärken.
Der südwestliche Turm stammt nur in seinem unteren Teil von den Kreuzfahrern und in seinem oberen Teil aus der Mamelukkenzeit. Dies wird durch eine Inschrift auf dem Marmorstein bestätigt, welche sich oberhalb des auf den Innenhof blickenden Fensters befindet. Beachtenswert ist die östliche, halbrunde, zur Stadt hinschauende Mauer mit ihren zahlreichen kleinen Fenstern und Schießscharten. Der westliche Turm ist der besser erhaltene. Die Mamelukken schleiften nach dem Abzug der Kreuzfahrer das Seekastell und auch andere Seefestungen, um zu verhindern, dass die Kreuzritter an der Küste wieder Fuß fassen könnten.
Auf dem nordöstlichen Turm steht eine osmanische Moschee mit einem rechteckigen überkuppelten Raum und einem Mihrab (Gebetsnische).
Die Seefestung war im mittelalterlichen Sidon Zeugin vieler Kriege und Zerstörungen und wurde im Laufe der Zeit zu einem Symbol für die Widerstandskraft der Stadt. Die Wasserburg wurde mehrfach restauriert, vor allem aber durch Emir Fachhreddin Maan (1572-1635).
Hinweis
Auf einem Erdhügel im Süden der Stadt errichteten die Kreuzfahrer auf den Ruinen einer Festung aus der Zeit der Fatimiden (909-1171) ihre Burg. Die Fatimiden hatten möglicherweise ihrerseits bereits eine an dieser Stelle aus früherer Zeit stammende Zitadelle wiederhergestellt und befestigt. Die arabischen Quellen und die heutigen Einwohner von Saida sprechen von der Al Muizz Zitadelle, während sie seit den Kreuzfahrerzeit im Westen nur als die Burg des Hl. Ludwig bekannt ist. Ludwig IX der Heilige, König von Frankreich, hatte während seines Kreuzzugsaufenthaltes in Akkon den Befehl zum Wiederaufbau der Festung gegeben, die sich heute in einem sehr schlechten Erhaltungszustand befindet, da sie von den Mameluken nachhaltig zerstört und von den Bewohnern jahrhundertelang als Steinbruch benutzt worden ist. So ist es fast ein Wunder, dass der Ludwigsturm überlebt hat und heute noch steht.