Tyros / Sour
Anfahrt
Beirut – Tyros
ca. 95 km, 1 1/2 Std. Fahrtzeit
Information
Das phönizische Tyros war die Königin der Meere, eine Inselstadt von ungeahnter Pracht. Ihre weit entfernten Kolonien, ihre Glasindustrie, die Purpurfärberei, ihr blühender Seehandel machten Tyros zu einer wohlhabenden Stadt, deren Reichtum wiederum die Begehrlichkeit und den Neid mächtiger Eroberer erregte, unter ihnen König Nebukadnezar II. von Babylon und Alexander der Große.
Die Gründung von Tyros geht in die Anfänge des 3. Jahrtausends zurück. Im Alten Testament wird es bereits mehrfach als große Stadt erwähnt, ebenso in der Korrespondenz von Tell el Amarna, in der Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. Seine große Zeit hatte Tyros als Handelsmetropole ab den Ramsessiden im 12. Jh. v. Chr. Die Ausdehnung des mächtigen phönizischen Einflussbereichs begann um 814 v. Chr., als Tyros Cádiz an der spanischen Atlantikküste und Karthago in Nordafrika gründete. In der Folge entstanden rund um das Mittelmeer und am Atlantik weitere Kolonien, der Seehandel blühte.
Aber Wohlstand und Macht schaffen sich ihre eigenen Feinde: Im 6. Jh. v. Chr. belagerte der babylonische König Nebukadnezar II. dreizehn Jahre lang die durch eine Stadtmauer geschützte Inselstadt – im Jahre 568 v. Chr. ergab sich Tyrus.
Im Jahr 332 v. Chr. wandte sich Alexander der Grosse gegen das persische Reich und bemühte sich zunächst, die strategisch wichtige Position an der Küste des östlichen Mittelmeeres zu neutralisieren, damit ihm die Perser bei seiner Expedition nicht die Versorgung aus Griechenland abschnitten. Er griff Tyros an, das zunächst sieben Monate lang seiner Belagerung widerstand, bis er einen Damm in Richtung der Inselstadt baute. Von dort aus zerstörten dann seine Belagerungsmaschinen die Stadtbefestigung und konnten den Truppen den Weg in die Stadt ebnen.
Es wird berichtet, dass die hartnäckige Verteidigung der Tyrener Alexander so zornig gemacht hatte, dass er die halbe Stadt zerstören ließ. Deren 10.000 Einwohner wurden entweder getötet oder in die Sklaverei verkauft.
Mit dem antiken Syrien fiel 64 v. Chr. auch Tyros unter römische Herrschaft. Jedoch durfte es weiterhin seine eigenen Silbermünzen prägen. Die Römer errichteten hier zahlreiche bedeutende Denkmäler, darunter auch einen Aquädukt, einen Triumphbogen und den größten Pferderennplatz der Antike.
Tyros wird ebenfalls im Neuen Testament erwähnt. In der byzantinischen Epoche war die Stadt Sitz eines Erzbischofs, der gleichzeitig das Primat aller Bischöfe in Phönizien hatte. In Tyros fanden drei Konzilien statt, möglicherweise wurde hier die erste Kathedrale der Christenheit gebaut.
Die Stadt erlebte in dieser Zeit eine zweite Blütezeit, wie es die Ruinen seiner Bauwerke und die Inschriften in der Nekropole bezeugen. Dem Ansturm der islamischen Armeen setzte die Stadt keinen Widerstand entgegen und ihr Wohlstand dauerte auch unter den neuen Herrschern an.
Die Ausfuhr von Zucker sowie von Glaswaren und Perlen blühte. Mit dem zunehmenden Verfall des fatimidischen Kalifats konnte Tyros unter der Dynastie der Bani 'Aqils, Vasallen der ägyptischen Fatimiden, seine Unabhängigkeit ausbauen. Während dieser Periode wurde die Stadt mit Brunnen geschmückt und die Basare waren voll von Waren aller Art und Herkunft, darunter Teppiche, Gold - und Silberschmuck. Dank seiner starken Befestigungen widerstand Tyros bis 1124 den Angriffen der Kreuzritter, deren Herrschaft nach rund 180 Jahren die Mamelukken im Jahre 1291 ein Ende bereiteten.
Zu Beginn des 16. Jh. ging die Macht an die Osmanen über, die sie bis zum 1. Weltkrieg behielten, mit dessen Ende Tyros in die neue libanesische Nation integriert wurde.
Seit fast 50 Jahren führt die libanesische Altertumsverwaltung in Tyros Ausgrabungen durch, bei denen man sich vor allem auf die römischen Stätten in der Stadt konzentrierte, die man heute sehen kann.
Der bedeutendste archäologische Fund in jüngster Zeit ist ein phönizischer Friedhof aus dem 1. Jahrtausend v. Chr., der bei geheimen Ausgrabungen entdeckt wurde und der erste seiner Art im Libanon ist.
Begräbniskrüge, Stelen mit Inschriften und Schmuck gehören zu den Fundgegenständen.
Die Bedeutung der Stadt und ihrer Denkmäler wurde 1979 von der UNESCO gewürdigt, als sie Tyros als Weltkulturerbe einstufte.
In der Zwischenzeit haben Bemühungen der Regierung weitgehend die in den Kriegsjahren üblich gewordene Plünderung der archäologischen Stätte unterbunden, denn wirtschaftlicher Notstand in der Region und internationaler Nachfrage nach Antiquitäten haben dem Tyros des Altertums schweren Schaden zugefügt.
Bereich I des antiken Tyrus
umfasst die phönizische Insel mit einem weiten Gebiet voller ziviler Bauten, Kolonnaden, öffentlicher Bäder, mosaikgeschmückter Strassen und einer rechteckigen Arena.
Die Säulen, unweit des Strandes am Ende des Geländes gehörten zu einer Palästra, einem Gymnasium, dem Trainingszentrum der Athleten. Andere ausgegrabene Ruinen stammen aus der hellenistischen, der römischen und der byzantinischen Zeit. In kurzer Entfernung von der Küste sind die großen Wellenbrecher und Molen des so genannten „Ägyptischen Hafens“ aus der Zeit der Phönizier zu sehen. Der Hafen wurde so genannt, weil man dort aus nach Süden, d.h. Richtung Ägypten blickt.
Bereich II
liegt mit seiner Hauptsehenswürdigkeit, der Kreuzfahrerkathedrale, fünf Minuten westlich. Nur die untersten Fundamente und eine Reihe wieder aufgestellter Granitsäulen sind intakt und sehr eindrucksvoll. Die darunter befindliche archäologische Schicht weist ein Netz römischbyzantinischer Strassen und anderer Einrichtungen auf.
Derzeit ist dieser Bereich für Besucher noch geschlossen, aber man hat außerhalb der Absperrung gute Sicht.
Bereich III
liegt dreißig Minuten zu Fuß von den beiden anderen Bereichen und besteht aus einer ausgedehnten Nekropole, einem dreibögigen Triumphbogen und der bisher größten Pferderennbahn, alles aus dem 2. und 3. Jh. n. Chr. Die Nekropole wurde 1962 ausgegraben, wobei Hunderte von verzierten Steinen und Marmorsarkophagen aus der römischen und byzantinischen Epoche zutage gefördert wurden.
Auch die Fundamente einer byzantinischen Kirche wurden freigelegt. Der Bogengang überspannt die römische Strasse, die in die antike Stadt führte und an der entlang ein Viadukt verläuft, der die Stadt mit Wasser versorgte.
Südlich der Nekropole befindet sich das 1967 freigelegte und seitdem teilweise restaurierte römische Hippodrom. Die 480 m lange Anlage fasste 20.000 Zuschauer, die den dramatischen Wagenrennen beiwohnen wollten, bei denen der Tod immer wieder herausgefordert wurde. Jedes Ende der Rennstrecke war durch noch sichtbare, steinerne Wendepunkte (metae) gekennzeichnet.
Die Wagenlenker mussten siebenmal die Rennbahn bewältigen, deren gefährlichstes Moment die Umrundung der Wendemarken bei höchster Geschwindigkeit war, was oft zu spektakulären und manchmal auch tödlichen Stürzen führte.
Der Spaziergang zum Bereich III führt durch ein Wohnviertel von Tyros, genannt Hay er-Raml, d.h. das Sandviertel, denn man befindet sich auf dem Damm, den Alexander der Große anlegen ließ, um Tyros endlich zu bezwingen. Angeschwemmter Sand und Steine haben die Fläche dieses Dammes so groß werden lassen, dass der heutige Besucher den Eindruck bekommt, die Stadt wäre auf einer Halbinsel gebaut.