Aufgaben und Geschichte
Auftrag
Die libanesischen Streitkräfte verfügen über außergewöhnlich viele zivile Kompetenzen, die nach und nach an die Polizei abgetreten werden sollen. Zu ihren Aufgaben gehören:
Die Légion d’Orient ab 1916
Die Ursprünge der libanesischen Armee liegen in der „Légion d’Orient“, libanesischen Freiwilligenverbänden, die während des Ersten Weltkrieges an der Seite Frankreichs, Syriens und armenischer Verbände gegen die osmanisch-türkischen Truppen und die mit ihnen verbündete deutsche Armee kämpften. Sie wurden am 15. November 1916 gebildet, nachdem die Regierung in Konstantinopel die autonome Provinz des „Mont Liban“ unter Militärherrschaft gestellt hatte und in Beirut Massenhinrichtungen von Oppositionellen (auf dem heutigen „Place des Martyrs“) stattgefunden hatten. Die Truppenstärke der „Legion“ betrug 4.500 Mann.
Die „Troupes Spéciales du Levant“ 1930–1945
Die „Legion“ wurde nach verschiedenen Zwischenstadien am 20. März 1930 vom französischen Verteidigungsministerium in die „Troupes Spéciales du Levant“ umgewandelt. Anfang der 1930er Jahre war General Charles de Gaulle mehrere Jahre als militärischer Ausbilder und Dozent in Beirut tätig. Folgerichtig meldeten sich nach der Befreiung des Libanon durch die Alliierten aus dem Machtbereich des Vichy-Regimes im Jahre 1941 mehr als 22.000 Freiwillige zu den „Troupes“, die in Folge vor allem am Mittelmeer-Kriegsschauplatz eingesetzt wurden. Besonders ausgezeichnet haben sich die „Troupes“ in der Schlacht von Bir Hakeim 1942 sowie 1944 während der Invasion in der Normandie als Entsatz-Kräfte in der Schlacht um Monte Cassino. Kommandeur der Einheiten war der spätere Präsident Fouad Chehab, ein Nachkomme der berühmten Emire des Libanon zu Beginn des 19. Jahrhunderts.
Die Libanesische Armee 1945–1975
Nachdem der französische General Georges Catroux am 26. November 1941 die Unabhängigkeit des Libanon angekündigt hatte, wurde das französische Mandat durch die libanesische Regierung am 8. November 1943 unilateral aufgelöst. Am 1. August 1945 zogen die letzten französischen Truppen ab und die „Libanesische Armee“ wurde offiziell unter dem Kommando von General Fouad Chehab gebildet, der bis zu seiner Wahl zum Staatspräsidenten 1958 im Amt blieb. 1958, während der nasseristischen Revolte, bei der die Armee neutral blieb und die schließlich durch eine US-Intervention im Rahmen der Eisenhower-Doktrin durch Einheiten des U.S. Marine Corps niedergeschlagen wurde, und nach Ablauf der Amtszeit von Präsident Camille Chamoun übernahm Chehab kurze Zeit das Amt des Ministerpräsidenten, was nach der Verfassung zur Organisation von Neuwahlen möglich ist. 1948 kam es zu einer militärischen Konfrontation der libanesischen Armee mit israelischen Truppen während des Unabhängigkeitskrieges. Danach verhielt sich der prowestliche Libanon neutral, speziell in den Kriegen 1956, 1967, und 1973. Durch den Konfessionsproporz mussten sämtliche Kommandoposten der Armee paritätisch besetzt werden, was die Armee aufgrund der höheren Zahl von muslimischen Rekruten strukturell schwächte. Zusätzlich verfolgte die Regierung die Strategie, die Nachbarn Syrien und Israel nicht durch eine starke Militärpräsenz unnötig zu provozieren. Der Oberbefehlshaber der libanesischen Armee ist wie der Staatspräsident stets maronitischer Christ.
Im Bürgerkrieg 1975–1990
Während der ersten Phase des Bürgerkrieges zerfiel die Armee in christliche und muslimische Teile. Die muslimischen Teile wurden z.B. von den Offizieren Ahmed al-Khatib und Aziz al-Ahdab geführt. Im Süden, wo eine christliche Exklave entstanden war, formierte sich ein Armeeteil unter dem Kommando von General Saad Haddad. Dieser lehnte sich bald an Israel an, speziell nach den Invasionen von 1978 und 1982, und aus ihm entstand später die „Südlibanesische Armee“ (SLA). Zudem operierten von 1976 bis 2005 zwischen 15.000 und 25.000 syrische Soldaten auf libanesischem Gebiet, was die Bedeutung der Streitkräfte des Landes weiter verringerte. Nach der Invasion 1982 wurde ein von den USA und dem Westen sanktionierter Versuch gestartet, die Armee neu aufzubauen. Sie wurde mit altem US-Kriegsmaterial der Vietnam-Ära ausgestattet, etwa M113-Schützenpanzern und US-Militärhubschraubern der älteren Generation. Kommandeur der neuformierten libanesischen Armee wurde General Ibrahim Tannous und ab 1984 Michel Aoun. Aoun wurde wiederum nach Ende der Amtszeit von Amin Gemayel im Jahre 1988 Interims-Ministerpräsident, begann aber einen sogenannten „Befreiungskrieg“ gegen sämtliche im Libanon operierende Milizen. Er wendete sich auch gegen das Abkommen von Taif von 1989, bei dem libanesische Parlamentarier im saudi-arabischen Taif mit Unterstützung der USA und Saudi- Arabiens die Grundlagen für das spätere pro-syrische Regime im Libanon ab 1990 legten. Aoun war damals äußerst populär, da er den unter 15 Jahre Bürgerkrieg leidenden Libanesen Gesetz und Ordnung versprach. Es kam 1989-90 zu einer spontanen Massenbewegung von Jugendlichen und Studenten, die von den friedlichen Revolutionen in Osteuropa inspiriert waren. Dennoch wurde Aoun kurz vor Beginn des Zweiten Golfkriegs von syrischen Truppenverbänden am 13. Oktober 1990 abgesetzt, was das offizielle Ende des libanesischen Bürgerkrieges bedeutete.
Seit 1990
Die Truppenstärke der libanesischen Armee hatte während des Bürgerkrieges 18.000 bis 34.000 Mann betragen. Nach 1990 wurde die Armee unter dem Kommando des pro-syrischen Generals Émile Lahoud (eigentlich Admiral und früherer Oberbefehlshaber der libanesischen Flotte) deutlich ausgebaut, um in den bisher von verschiedenen Milizen kontrollierten Landesteilen die Kontrolle zu übernehmen. Davon ausgenommen war der bis 2000 von Israel besetzte Südlibanon, wo die Hizbollah weiterhin einen Guerillakrieg gegen die Besatzungsmacht führte. Nach dem Abzug der syrischen Truppen in 2005 übernahm die einheimische Armee zudem die Kontrolle über zuvor von den Syrern dominierte Landesteile.
Während des Libanonkriegs 2006 verhielten sich die libanesischen Streitkräfte zunächst defensiv und beschränkten sich auf eine sporadische Luftabwehr. Anfang August 2006 wurde die libanesische Armee dann vereinzelt in Bodenkämpfe mit den in den Libanon eingedrungenen israelischen Streitkräften verwickelt. 49 libanesische Soldaten starben dabei. Nach dem Ende des Krieges wurden rund 15.000 Soldaten in den Süden des Landes verlegt, um dort innere Unruhen zu unterbinden und die Grenze zu sichern.
Am 20. Mai 2007 kamen bei heftigen Kämpfen zwischen den libanesischen Streitkräften und Kämpfern der palästinensischen Fatah al-Islam in dem Flüchtlingslager Nahr al-Bared bei Tripoli mehr als 60 Menschen ums Leben.