Herzls Idee vom Judenstaat

 

Es begann mit der „Affäre Dreyfus“. Im Dezember 1894 wurde Alfred Dreyfus, Hauptmann des französischen Generalstabes, in Paris der Spionage für das Deutsche Reich für schuldig befunden – zu Unrecht, wie sich später herausstellte – und zu lebenslänglicher Deportation auf die Teufelsinsel verurteilt. Die Vorgänge um Dreyfus, Lebemann und Paradebeispiel für den Aufstieg einer jüdischen Familie, lösten in Frankreich eine antisemitische Welle aus. Diese erschütterte den 34-jährigen Theodor Herzl, Kaffeehausliterat und mittelmäßiger Wiener Journalist, nachhaltig. Er mochte Dreyfus zwar nicht, war aber von dessen Unschuld überzeugt.

 

Ein halbes Jahr später wollte Herzl den Baronen Albert Rothschild und Maurice de Hirsch einen „jüdischen Exodus“ vorschlagen, wurde aber von beiden nicht angehört. Das Problem des Antisemitismus wäre, so Herzl, zu lösen, wenn man den Juden ein politisches Zentrum geben würde, denn immerhin würden sie seit 2.000 Jahren ohne eigenen Staat überall auf der Welt verstreut leben. Diese Gedanken veröffentlichte er im Februar 1896 auf 71 Seiten in „Der Judenstaat – Versuch einer modernen Lösung zur Judenfrage“. Das dafür notwendige Territorium musste nach Herzls Ansicht (noch) nicht unbedingt Palästina sein. Im Judenstaat spricht er, angeregt von Cecil Rhodes, von einem Stück Land in Afrika oder Argentinien – mit dieser Schrift beginnt der moderne Zionismus.

 

Die Reaktionen auf Herzls Schrift waren nicht gerade überwältigend. In Großbritannien zum Beispiel wurden nur 160 Exemplare verkauft. Überhaupt sprachen assimilierte Juden von einem „Hirngespinst“, von einem „Kuckucksei des Nationaljudentums“, die Juden seien keine Nation, sondern hätten lediglich ihren Glauben gemeinsam.

 

Herzl hatte den Zionismus nicht erfunden. Zion war das Synonym für Jerusalem, das „Land Israel“. Fromme Juden beteten damals täglich um die Rückkehr ins Gelobte Land, worum es aber um die Sehnsucht ging und nicht um die Verwirklichung. Vor Herzl hegte schon Moses Hess 1862 den Gedanken an einen jüdischen Staat ebenso wie 1882 auch der Arzt Leon Pinsker aus Odessa. Ende der 1880er Jahre prägte Nathan Birnbaum den Begriff Zionismus, der jedoch erst durch Herzl zu einer politischen Bewegung wurde.

 

Auf dem ersten Zionistenkongreß, der vom 29. bis 31. August 1897 in Basel stattfand, wurde den 204 Delegierten, überwiegend aus Osteuropa, eine Resolution verabschiedet: „Der Zionismus erstrebt für das jüdische Volk die Schaffung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstatt in Palästina“.

 

Die Formel dafür lautete damals „Ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“. Dass es so etwas nicht gab, war Herzl und seinen Mitstreiter vollkommen klar. Sie ließen keinen Zweifel daran, was mit den Menschen zu geschehen hatte, die in „ihrem“ Land lebten. So sollten die „eingesessenen Stämme entweder mit dem Schwert verjagt werden, wie es unsere Vorfahren taten“ oder man werde mit den Problem zu kämpfen haben, das eine große, fremde Bevölkerung darstellt.

 

Aus Herzls Tagebuch 1897:

 

„Die arme Bevölkerung trachten wir unbemerkt über die Grenze zu schaffen, indem wir ihr in den Durchzugsländern Arbeit verschaffen, aber in unserem eigenen Lande jederlei Arbeit verweigern. Die besitzende Bevölkerung wird zu uns übergehen. Die Enteignung muss – ebenso wie die Fortschaffung der Armen – mit Zartheit und Behutsamkeit erfolgen. Die Immobilienbesitzer sollen glauben, uns zu prellen und uns über den Wert zu verkaufen, aber zurückverkauft wird ihnen nichts.“

 

Es ging von Anfang an darum, in Palästina eine jüdische Mehrheit zu schaffen. Für die zionistische Bewegung waren die Juden die Nachfahren der Hebräer und somit die Ureinwohner Palästinas, die dort lebenden Araber illegal.

 

Nach Basel wurde der Zionistische Weltkongreß aktiv: eine jüdische Kolonisationsbank wurde errichtet, ein Nationalfonds, eine Entwicklungsgesellschaft – dies alles mit dem Ziel, Land zu kaufen und Juden anzusiedeln.