Drusen

 

Die Religion der Drusen, aus der ismaelitischen Schia hervorgegangen, wurde 1010 vom ägyptischen Sultan al-Hakim Biamrillah (bi Amrillah) gegründet, der verkündete, dass Gott in ihm Fleisch geworden sei. Im Jahre 1021 fand die Herrschaft al-Hakims ihr Ende, da der Kalif nach Angaben der Drusen in die „Verborgenheit“ („Ära der Verhüllung“) entrückt wurde. Wahrscheinlich wurde er jedoch ermordet. Er soll am tausendsten Geburtstag seines Verschwindens zurückkehren, um über ein goldenes Zeitalter zu herrschen.

 

Die seitdem andauernde Ära der Verhüllung ist eine Prüfung für alle Gläubige. Nach seinem Verschwinden schufen zwei extreme schiitische Schriftgelehrte, Hamza ibn-Ali und Mohammed al-Darazi, ein religiös-theosophisches System, in dem der Kalif al-Hakim als direkte Inkarnation Gottes bezeichnet wurde.

 

Es wird angenommen, dass der Name Drusen entweder von dem Gelehrten Darazi (die arabische Bezeichnung „Druz“ bedeutet Anhänger des Darazi) oder von „daraza“ (arabisches Wort für studieren, Studium der heiligen Bücher) abgeleitet wird. Der Glaube der Drusen basiert auf der Ismaeli-Tradition innerhalb des Islam. Der offizielle Name der Drusen lautet „Din al-Tawhid“, die Religion der göttlichen Einheit. Dennoch weicht der drusische Glaube stark vom islamischen ab. In ihm mischen sich Elemente des Platonismus und Neoplatonismus mit denen der islamischen Ismaeliten. Weil der drusische Glaube in Ägypten verfolgt wurde, bereitete sich die Lehre im Libanon aus.

 

Für die Drusen ist Mohammed jedoch nicht ihr eigentlicher Prophet, der Koran nicht die verbindliche Offenbarung. Auch der Glaube an die Seelenwanderung ist mit dem Islam nicht vereinbar, er spielt in den Schriften der Drusen jedoch eine wichtige Rolle. Stirbt ein Mensch, so tritt seine Seele sofort in ein Neugeborenes über. Die Seele strebt nach Vollkommenheit, vollkommener Erkenntnis und Wahrheit und wandert so lange von Körper zu Körper, bis sie dieses Ziel erreicht hat. Auf der höchsten Ebene angelangt, trennt sie sich dann vom Körper und vereinigt sich mit dem Imam Hamza und mit al-Hakim. Die sieben heiligen Bücher der Drusen, al-Hikma (die Weisheit), erläutern diesen wichtigen Punkt der Seelenwanderung in aller Ausführlichkeit.

 

Hüter des Wissens und der letzten Geheimnisse der Drusenreligion sind die Eingeweihten („Uqqal“) oder Weisen, denen die große Masse der in religiösem Sinne Unwissenden gegenübersteht. Auch Frauen haben Zugang zu den Geheimnissen der Eingeweihten. Die Drusen des Libanon bezeichnen sich lieber als Bekenner der göttlichen Einheit oder Unitarier denn als Drusen. Um der Feindschaft der islamischen Welt zu entkommen, verschloss sich die Glaubensgemeinschaft gegenüber Fremden so gut, dass bis zum heutigen Tag Außenstehende nur ein begrenztes Wissen über den Glauben und die Gebräuche der Anhänger dieser Lehre haben. Zu den Grundprinzipien des Glaubens gehören Verschwiegenheit, Verantwortungsbewusstsein und Treue. Da die Missionstätigkeit der Drusen nur kurz andauerte und nicht zu den religiösen Aufgaben der Gemeinschaft gehört, kann man als Druse nur geboren werden, nicht jedoch zum Drusentum übertreten.

 

Vom offiziellen Islam wurden die Drusen häufig als Abtrünnige verfolgt. Sie lebten meist mit den christlichen Maroniten friedlich zusammen, vermischten sich jedoch nicht mit der christlichen Bevölkerung.

 

Im Libanon erlebt diese Religionsgemeinschaft ihre größte Machtentfaltung. Das Gebirge des Chouf und des Metn sind seit dem elften Jahrhundert das traditionelle Siedlungsgebiet der Drusen im Libanon. Das jahrhundertelange freundschaftliche und kooperative Verhältnis zwischen Drusen und Maroniten schlug während des Bürgerkrieges in einen unversöhnlichen Streit zwischen ihnen um. Der Grund hierfür liegt in der Mitte des vorherigen Jahrhunderts, als Drusenkrieger im Dienst der Hohen Pforte die Maroniten im Libanon und in Syrien angriffen. Es kam zu Massakern, in deren Verlauf ganze Dörfer bis auf die Grundmauern zerstört wurden. Die Drusen des Libanon setzten sich (vor allem in der Progressiven Sozialistischen Partei), wie andere ehemalige Bürgerkriegsparteien auch, für eine Veränderung oder Abschaffung des im Nationalpakt niedergelegten politisch-religiösen Proporz ein.

 

Man nimmt an, dass etwa 400.000 Drusen im Libanon leben. Die Drusen fühlen sich auch heute noch benachteiligt; sie fordern die gleichen Rechte im Staat wie die christlichen oder muslimischen Gruppierungen. Es kommt regelmäßig zu Treffen der Notabeln der Drusengemeinde im Libanon unter dem Vorsitz von Scheich Akl, dem geistigen Führer dieser Gemeinde. Innerhalb dieser Versammlungen werden Fragen, die die Drusengemeinde im Libanon betreffen, besprochen.

 

Den Drusen stehen acht Parlamentssitze zu.